Der Bücherladen von Dreder

© Andrii Paramonov (Charkov)

Vor dem Beginn des 1. Weltkrieges gab es in Charkow mehrere Bücherläden. Sie werden sich wundern, aber im Sortiment und nach dem Verkaufsumfang waren sie besser und größer, als die jetzigen. Einer davon gehörte Adolf Heinrichowitsch Dreder.

Adolf Dreder erlernte den Buchhandel im Russischen Reich von 1869 bis 1871 und seit 1872 verkaufte er Bücher in den deutschen Städten, mehr als 4 Jahre davon in Hamburg. Nach Charkow kam Dreder 1882 und wurde zum Geschäftsführer bei dem Buchhändler F. Miller.

1889 entschloss sich Dreder, seinen eigenen Laden in Charkow im Haus von Dmitriew in der Moskowskaja Strasse Nr. 20 zu eröffnen (das Gebäude ist nicht erhalten geblieben). Er reichte das Gesuch am 18. August ein und musste fast zwei Monate warten, bis der Gouverneur die schmeichelhaften Gutachten über ihn vom Pastor Berg und Zuverlässigkeitzeugnisse von der Polizei und der Gendarmerie erhielt. Der Gouverneur stellte das Zeugnis über die Berechtigung zur Eröffnung des Bücherladens am 2. Oktober 1889 aus. Weitere sechs Tage brauchte der Polizeivollzieher, um das Zeugnis dem künftigen Besitzer der Buchhandlung gegen Quittung zuzustellen.

Bald genügte das Haus von Dmitriew den Anforderungen der gewachsenen Buchhandlung nicht mehr und so zog Adolf Heinrichowitsch Dreder am Anfang der 1890er in das Haus in der Moskowskaja Strasse Nr. 21 um, das der Gattin eines Stabskapitäns Ewdokija Konstantinowna Skabitschewskaja gehörte (heute ist das das Gebäude Nr. 25 in Moskowskij Prospekt). Das ganze Erdgeschoss des Hauses in der Straßenfluchtlinie wurde für Läden vermietet. Einen davon mietete der deutsche Staatsbürger Adolf Heinrichiwitsch Dreder, der mit ausländischen und russischen Büchern in Charkow handelte.

In seinem Bücherladen bot Dreder die besten Ausgaben an, die im Russischen Reich  erschienen und gemeinsam mit dem Buchhändler Bräutigam verkaufte er Bücher in der Firma „Germania“. Jährlich erschienen Kataloge der Bücherproduktion und jeder davon ist heute eine bibliographische Rarität. Im öffentlichen Leben war Adolf Heinrichowitsch einer der angesehensten Mitglieder der Charkower deutschen Gesellschaft. Dreder beschäftigte sich nicht nur mit dem Buchhandel, sondern auch mit der Buchverlegung, darunter mit Ausgaben wissenschaftlicher Werke von Professoren der Kaiserlichen Charkower Universität, Bücher für Geschichte, Kunst, Musik, Philosophie, Medizin, Recht und Technik.

Am meisten ist aber Adolf Dreder dadurch bekannt, dass er als einer der Ersten begann, Karten mit Ansichten der Stadt zu drucken. Alles fing mit Gravürenalben und alten Fotos mit Ansichten von Charkow an. In den 1890ern gab er zu Werbezwecken einige Arten von Anschichtskarten mit der Beschriftung „A. Dreder. Buchhandlung in Charkow“ heraus. Zuerst wurden die Gravüren mit alten Stadtansichten in der Serie „Gruß aus Charkow“ als Bilder verwendet und später zeitgenössische Fotos von Charkow mit Beschriftungen in russicher, deutscher und französischer Sprachen benutzt.

Auf einer der Werbekarten, die von Dreder herausgegeben wurden, sehen wir seinen Bücherladen in der Moskowskaja Strasse im Haus von Skabitschewskaja. Auf der Aussentreppe steht ein Herr, möglicherweise ist er gerade der Bücherladenbesitzer.

Leider wurde mit Beginn des Ersten Weltkrieges Adolf Heinrichowitsch Dreder das Recht auf den Handel und auf  die Nutzung seiner finanziellen Ressourcen aberkannt. Er sah sich gezwungen, die Buchhandlung zu verkaufen und wurde 1915 nach Kasan deportiert.